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Wildvögel, Vogelschutz Erscheinungsdatum: Oktober 2004
 

Ein Amselkind wird groß
von Sandra Falb

Vor wenigen Wochen war ich wieder einmal zu Besuch im Tierheim, wo auch oft junge Wildvögel abgegeben werden, die irrtümlich als verwaist angesehen werden.

So wurde auch ein Amselkind abgegeben, das zwar noch nicht wirklich im Ästlingsalter war, aber nicht weit davon entfernt.

Das Kleine war zwar schon so gut wie vollständig befiedert, allerdings fehlten noch alle Schwanz- und Schwungfedern und es war noch etwas tollpatschig unterwegs.

Amselkind, 14 Tage alt

Nachdem ich aufgrund von Urlaub in den nächsten 14 Tagen Zeit für die Aufzucht hatte, beschloss ich das Amselkind mitzunehmen und aufzuziehen.

Eine Wärmequelle war wegen des fortgeschrittenen Gefiederwachstums nicht mehr nötig im Vergleich zu nackten oder wenig befiederten Jungvögeln, die eine Wärmequelle auch dringend benötigen, z.B. in Form eines Heizkissens.

Natürlich war in erster Linie wichtig geeignetes Futter aufzutreiben. Zum Glück hatte ich bereits ein hochwertiges Weichfutter mit Insekten und Ei – Biskuit, Ameisenpuppen für Drosseln, Stare und Pirole zu Hause, weil ich manchmal meinen Wachteln solches Futter zusätzlich reiche.

Oft ist es ja gerade bei Jungvögeln sehr problematisch, da sie nicht selbstständig sperren (die Schnäbel aufmachen, um gefüttert zu werden), und so bleibt nichts anderes als eine Zwangsernährung übrig.

Doch die meisten Jungvögel lernen sehr schnell und sperren nach wenigen Tagen von selbst.

   

Weichfutter

Fliegenmaden

Mein Amselkind sperrte zum Glück sofort, was eine regelmäßige Fütterung (alle 1-2 Stunden in diesem Alter) erheblich erleichterte.

Gefüttert hatte ich mit einer nicht scharfkantigen Plastikpinzette, unter anderem auch Fliegenmaden und Regenwürmer, an denen ich die Erde drangelassen hatte, was ja bei Amseln, Drosseln und Staren wichtig ist, weil sie die Erde zum Knochenaufbau und zur Verdauung benötigen.

Allerdings sollte man bei einer Aufzucht von Jungvögeln unbedingt beachten, dass jeder Jungvogel sein artspezifisches Futter benötigt. Regenwürmer sind keine geeignete Nahrungsquelle z.B. für Spatzen , Meisen oder Finkenarten.

Auch reichen nur Regenwürmer oder andere Lebendtiere nicht aus, um den Nähr- und Mineralstoffbedarf eines Jungvogels zu decken, und so kommt es bei einseitiger Fütterung, z.B. nur mit Mehlwürmern (die nicht verfüttert werden sollten, egal um welchen Jungvogel es sich handelt) zu massiven Mangelerscheinungen mit Wachstumsstörungen und „Glasknochen“ -Rachitis.

Es ist zwar nicht schön, aber ich habe die Fliegenmaden alle anfangs mit der Pinzette etwas zerdrückt, danach haftete das Weichfutter sehr gut und konnte gut mitverfüttert werden.

Auch stellt Katzenfutter ein sehr schlechtes Futter für Jungvögel dar und meistens sterben die Kleinen deswegen an Darmentzündungen.

Das Weichfutter hatte ich auch mit Wasser und teilweise Vitamin- und Mineralstoffzusätzen angereichert, nicht zu flüssig, so dass es einen schönen Brei ergab, was dem Jungvogel das Schlucken erleichtert und zusätzlich für Flüssigkeit sorgt.

Jungvögel zwangsweise mit Wasser zu versorgen ist nicht ratsam, da sie schnell das Wasser in die Luftröhre bekommen und daran ersticken können.

Mein Amselkind wuchs nun von Tag zu Tag und es war toll mit anzusehen, wie die Federhülsen der Schwanz- und Schwungfedern platzten und sich langsam ein kleines Schwänzchen erkennbar machte.

Damit verbunden war natürlich auch die Unternehmungslust der kleinen Amsel. Da ich sie in keinen Käfig sperren wollte, weil sie schließlich wieder ausgewildert werden soll, hatte ich einiges zu tun den kleinen Piepmatz unter Aufsicht zu halten, ohne dass er sich zu sehr an mich gewöhnt.

Sie erkundete die ganze Wohnung und entdeckte oft sehr seltsame Ruhe- und Rastplätze.

Es dauerte nur wenige Tage, da begann sie dann mit den ersten Flugversuchen, die anfangs natürlich in sämtlichen Bruchlandungen ausarteten. Doch sehr schnell lernte sie Hüpfen und Fliegen zu koordinieren und erreichte schnell höher gelegene Sitzmöglichkeiten.

In dieser Zeit begann sie auch langsam an allen möglichen Dingen zu picken und zeigte erste Ansätze zur selbstständigen Nahrungsaufnahme. Einige Tage später fraß die kleine Amsel bereits selbstständig Weichfutter und Futtertiere, obwohl die Schwanz- und Schwungfedern erst zur Hälfte ausgebildet waren.

 

Nachdem ich das festgestellt hatte, versuchte ich nun , um sie ein wenig auf ihr späteres Leben vorzubereiten, in mit Erde gefüllte Blumentöpfe Fliegenmaden und Regenwürmer zu verstecken, damit sie lernt diese selbstständig aus der Erde zu holen, was nach anfänglichen Problemen auch tadellos funktionierte.

Auch versuchte ich sie mit der Blumenspritze an Regenwetter zu gewöhnen oder eine Bademöglichkeit in flachen Schalen zu bieten, in denen sie ausgiebig planschte.

Inzwischen ist mein Amselkind sehr groß geworden und wird in den nächsten Tagen in eine Außenvoliere umziehen, in der bereits eine Amsel wohnt. Dort soll es lernen sich vom Menschen fern zu halten, um in Freiheit zurecht zu kommen.

Bald ist das Amselkind so weit, dass es auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden muß

 

Auswildern von Jungvögeln

Jungvögel, die erfolgreich aufgezogen werden, kann und darf man nicht einfach von heute auf morgen in die Natur entlassen, da sie keine Möglichkeit hatten jemals zu erlernen, wie sie dort überleben .

Bei einem plötzlichen Wechsel von Menschenobhut in die Freiheit, ohne vorheriges Auswildern, würden mit Sicherheit 99% aller handaufgezogenen Jungvögel nicht überleben. Allerdings gehören sie auch nicht in einen Käfig ins Wohnzimmer.

Es ist wichtig, dass solche Jungvögel die Möglichkeit erhalten, unter Artgenossen in Auswilderungsstationen zu kommen, in denen sie all das erlernen, was sie zum Überleben in Freiheit brauchen.

Wie auch in meinen Fall wird ein Amselkind ein absolut zahmes Tier, das keine Gefahren wie Katze oder Greifvogel kennt und nicht weiß, wo es Schutz findet vor Unwettern. Auch hat es nie gelernt Nahrung in Freiheit zu finden. Aus diesen Gründen ist es auch sehr wichtig, solche Jungvögel auf ihr zukünftiges freies Leben vorzubereiten.

Weitere wichtige Informationen über die Aufzucht von Jungvögeln bzw. Auffangstationen könnt ihr hier entnehmen: www.Wildvogelhilfe.de

Zum Schluss möchte ich noch hinzufügen: Wenn ihr einen Jungvogel findet, der so gut wie voll befiedert ist, lasst ihn bitte sitzen!

Viele Jungvögel verlassen das Nest, obwohl sie noch nicht fliegen können, werden aber weiterhin von den Elternvögeln fürsorglich betreut.

Sollte sich der Jungvogel in Gefahr gebracht haben, wie an befahrenen Straßen, bringt ihn zum nächsten Gebüsch, die Eltern werden ihn dort finden.

Solltet ihr euch nicht sicher sein, beobachtet mindestens eine Stunde lang in großer Entfernung, ob der Jungvogel von den Eltern gefüttert wird. Ist dies nicht der Fall, kann man davon ausgehen, dass es sich um ein verwaistes Vögelchen handelt.

Natürlich benötigen Jungvögel immer Hilfe, wenn sie nackt, mit geschlossenen Augen am Boden liegen, dann muss rasch gehandelt werden.

Solltet ihr keine Erfahrung in der Aufzucht von Jungvögeln besitzen oder euch nicht der Aufzucht gewachsen sehen, bringt die Kleinen in eine Auffangstation, wo man sich ihrer annimmt. Adressen findet ihr ebenfalls unter dem oben genannten Link.


 


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